Flashmob und Archäologie

Oder wie aus der Anfrage zur Gestaltung einer Ausstellung eine crossmediales Storytelling Projekt wurde.

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#codesdermacht


Wir sind momentan ganz hingerissen von der Entwicklung des Projekts mit dem RGZM in Mainz. Anstatt dem Museum auf das Briefing zur Ausstellungsgestaltung nur einen Vorschlag zur Kommunikation im Raum zu liefern, präsentieren wir eine Kommunikationskampagne, welche viele verschiedene Kanäle verknüpft. Dazu haben wir die historische Figur des jungen Merowinger Königs in die Gegenwart geholt und arbeiten mit den gestalterisch-konzeptionellen Potenzialen aus dieser Transformation. Dank der grossen Offenheit, Flexibilität und Enthusiasmus des Kunden werden nun trotz beachtlichem Zeit- und Kostendruck sehr spannende Experimente umgesetzt. Hier ein Einblick in die Entwicklung des Projekts.

Kunde:
Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz / Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie

Eröffnung: 6. November 2015

Aufgabe:
Intervention „Codes der Macht” in die bestehende Dauerausstellung „frühes Mittelalter“

Einführung:
Täglich begegnen uns verschlüsselte und offensichtliche Botschaften der Macht, die unser Handeln beeinflussen sollen, auf dass wir die Entscheider unserer Zeit beim Erreichen ihrer Ziele unterstützen. Schon im Jahr 482 n. Chr. wusste ein junger Thronfolger in Gallien diese „Codes der Macht“ zu benutzen: Beim Begräbnis seines Vaters – dem Frankenkönig Childerich – sendete der sechszehnjährige Chlodwig gezielt Botschaften aus, um alle für seine Machtlegitimation wichtigen Zielgruppen zu lenken, hinter sich zu vereinen und sich dadurch seine Thronfolge zu sichern. Wie Archäologinnen und Archäologen die Symbolkraft der Grabbeigaben und damit die Inszenierung des Begräbnisses als Machtdemonstration entschlüsselt haben, erleben Sie in dieser Ausstellung.

These:
Chlodwig entwickelt im Jahre 482 eine ausgefeilte Kommunikationsstrategie um seinen Machtanspruch zu Legitimieren. Die Objekte der Grabanlagen seines Vaters Childerich in Tournai bieten ein Einblick in die Sprache der Macht in dieser Zeit.
Damals wie heute scheinen öffentliche, medienwirksame Inszenierung sowie die Kontrolle und Einflussnahme über deren Berichterstattungen wichtig zur Machtentfaltung. Dementsprechend sind präzise orchestrierte Medien-Kampagnen entscheidende Werkzeug zur Legitimierung von Machtansprüchen. Die gefundenen archäologischen Insignien und Machtsymbole entfalten Ihre kommunikative Funktion nur durch eine entsprechende Inszenierung und die Instrumentalisierung als Informationsträger. Bei der Codierung von Machtansprüchen in denen  zeitgenössischen Kommunikationgesellschaften haben Objekte nicht mehr die zentrale Funktion. So wird zum Beispiel je nach sozioökonomischem Status die offene Zurschaustellung von Macht bewusst vermieden. Auch in der politischen Kommunikation wird der explizite Verweis auf die eigene Macht weitgehend vermieden. Wahre Macht wird heutzutage oft versteckt. Anstelle von direkter Machtdemonstration wird heute die Meinungsbildung mittels Massenmedien intensiv beeinflusst.

Konzept:
Wir entwickeln in den nächsten Monaten eine Kampagne für Chlodwig mit dem Ziel innen- und aussenpolitisch möglichst nachhaltige Unterstützung für seine Nachfolge als Machthaber des todkranken Vaters Childerich zu generieren. Durch die vergleichende Darstellung von Inszenierung, Insignien und Ritualen der Machtrepräsentation soll beim Besucher ein Bewusstsein für die Veränderungen und die Konstanten in der Codierung von Macht entstehen. Eine Wahrnehmungschärfung für Mechanismen der Machtdarstellung wird angeregt.

Umsetzung:
Eine Multimediale Wahlkampagne wird entwickelt und im Vorfeld der Ausstellungseröffnung bespielt. Dabei werden mit Schauspielern Szenen gespielt, in welchen die archäologischen Objekte und Insignien eine zentrale Rolle spielen. Die jeweiligen Settings und Kostüme spielen in der Gegenwart. Das Drehbuch und die textlichen Inhalte verweisen auf historische Gegebenheiten.

Vermittlungsstrategie:
Mit dem vorgeschlagenen multimedialen Storytellingmodell entsteht die Möglichkeit die Besucher in der Sprache ihrer Alltagswelt anzusprechen. Erst auf Grundlage dieses niederschwellingen Zugangs ist dann die Vermittlung von Erkenntnissen aus der wissenschaftlicher Forschung und die Darstellung der gesellschaftlichen Relevanz dieser möglich. Mit dem Einsatz einer jugendaffinen Bildsprache und der Kommunikation in den von der jüngeren Menschen bevorzugten Medien, werden neue Besuchergruppen erschlossen. 
 

Virtueller und physischer Raum:
Das vorgeschlagene Konzept verbindet interaktive Medien wie einen Blog und Aktivitäten in sozialen Medien im virtuellen Raum mit einer Intervention im physischen Raum. Die transmediale Ansatz stärkt dabei die themenbezogene Präsenz des RGZM als Meinungsführerin und präsentiert die Institution als innovativer Vermittler von archäologischer Forschung. 

Interventionen im Raum



1. Enfilade
Enfilade im kurfürstlichen Schloss
Die klassische perspektivische Inszenierung wird neu interpretieret und mit dem Hauptmotiv der Intervention besetzt.

2. Preshow
Die Ansprache mit der zeitgenössischen Bildsprache der Medienkampagne holt den Besucher in der alltäglichen Gegenwart ab.

3. Mainshow
Die geordnete, regelmässige orthogonale Struktur der Architektur des Schlosses und der bestehenden Dauerausstellung löst sich auf. Unsicherheit, Entgrenzung, Krise und Zerfall werden durch eine dynamische, dekonstruktivistische räumliche Konfiguration umgesetzt.
Die archäologischen Objekte sind von der Bildwelt der Medienkampagne eingebettet. Die Kontextualiesierung der Objekte findet in diesem Bereich statt.

4. Abbinder
In einer partizipativ Angelegten Installation wird der Besucher nochmals zur Reflexion mit der Vergangenheit angeregt und direkt involviert. 
Auf Tafeln werden Fragen zum Thema Macht gestellt. Die Antworten von Hand auf die Tafeln geschrieben und im Raum aufgehängt. 

Beispiele von Fragen:
„Was ist Ihr Machtinstrument?“
„Wie zeigen Sie Macht?“
„Über wen oder was haben Sie Macht?“
„Wer oder was hat macht über Sie?“
„Wie definieren Sie Statussymbole?“
„Ist Geld haben Macht?“
„Wann akzeptieren Sie Fremdbestimmung?“